Bei aller unstrittigen Qualität ist es nicht so, als ob aktuelle, US-amerikanische Qualitätsserien ausschließlich auf das kreative Vermögen ihrer Autoren, Regisseure und Schauspieler setzen würden. Die Macher von GAME OF THRONES, TRUE BLOOD oder ROM tauchen ihre Werke nicht ohne Grund so gerne in Blut und Sperma – Gewalt und Sex sind die beiden (tot)sichersten Aufmerksamkeitsgaranten der Menschheitsgeschichte. HANNIBAL widmet sich voll und ganz dem roten Körpersaft.
Die 13-teilige Serie über Thomas Harris‘ berühmten Kannibalen hat es mit einem abgeklärten Publikum zu tun. 18 Jahre nach David Finchers SIEBEN sind sämtliche Filmtode gestorben worden, möchte man meinen. Stimmt aber offenbar nicht, denn an HANNIBAL interessiert – obgleich die gegenteilige Interpretation naheliegend ist – an erster Stelle nicht die Seelenanalyse, sondern die des Körpers, und zwar in einem brutal-plakativen Sinne. Auf welche Arten lassen sich Menschen so auseinandernehmen und verletzen, dass der abgestumpfte Voyeur in uns die Augen öffnet?
Klar: HANNIBAL – gekonnt inszeniert und hochkarätig besetzt – rückt auch die dysfunktionale Seele ostentativ in den Blick. Der FBI- Analytiker Will Graham (Hugh Dancy) versetzt sich zur Fallaufklärung in die Gedankenwelt der Killer und zerbricht zunehmend daran. Und sein Psychologe, Dr. Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen), manipuliert ihn durch die Macht des Therapeuten. Wo aber Serienschwergewichte wie MAD MEN oder BREAKING BAD gerade auch deswegen so brillant sind, weil ihre Hauptfiguren zwar facettenreich, aber nicht ausbuchstabiert auftreten, ist bei HANNIBAL rasch klar, wer wie tickt.
Die Serie konzentriert sich darauf, das Innerste nach außen zu kehren.